Hallo Blog. Wie schlägst du dich? Hoffe doch – Bestens. Das Bett, an das ich heute denken musste – ist an einem zauberhaften Ort – in einem zauberhaften Land, mit einer grandiosen Aussicht. Vielleicht das beste Bett, das mir je begegnet ist.
Ich musste heute an ihn denken, weil der Tag heute nicht zu meinem Besten gehört – ich muss vielleicht hinzufügen, dass ich prinzipiell den Winter boykottiere. Dass ich keineswegs irgendein romantisches Gefühl verspüre - die schneebedeckten Landschaften, die Weihnachtsdekorationen und die klirrende Kälte wahrnehmend. Dass ich nicht Ski fahre und auch nicht George Michael in einer Berghütte, am Kamin sitzend, höre – samt den Truthahngeruch, der, derweil aus der Küche dringt. Ich leide, weil ich friere. Mir tut die Welt leid, mir tun die Menschen leid, ich tue mir leid. Ich werde sentimental und wehleidig. Und finde das absolut blöd.
Und heute wachte ich auf und beschloss diesem Winter eine zweite Chance zu geben. Wie gesagt, ich erwähnte dies ja bereits, dass ich durchaus für Zweite Chancen bin. Ich habe die Fenster weit aufgerissen, habe das Matschwetter fröhlich begrüßt und bin dann auch lange durch die Gegend gelaufen. Obwohl der Tag nicht unbedingt ein frostiger Wintertag ist – ist der für mich kalt genug. Auf dem Weg zum kleinen Cafe, wo ich des Öfteren meinen Kaffee hole, traf ich Gitta, eine sehr stolze, sehr interessante, sehr hilfsbreite Obdachlose, die, die halbe Stadt kennt, jeden namentlich grüßt und Geld nur dann annimmt, wenn sie einem auch irgendeinen kleinen Gefallen tun kann – z.B zum Kiosk laufen und einem irgendwelche Kleinigkeiten holen oder zum Zeitungsladen gehen und die Morgenausgabe der Lieblingszeitung besorgen.
Wir haben uns unterhalten, ich habe ihr von meiner Missgunst dem Winter gegenüber berichtet und dann hat Gitta eine Inspiration an poetisch-elegischer Ausdrucksweise vernommen und beschlossen mit aller Macht mich davon zu überzeugen, dass ich unbedingt meine Freundschaft mit dem Winter schließen soll. Also setze ich meinen vormittaglichen Weg samt meinen neuen, guten Ansätzen mit Gitta fort. Sie zeigte mir irgendwelche Hinterhöfe samt den besten Verstecken der Stadt, zeigte mir die Gärten, wo man am besten Lagerfeuer anzünden und Ofenkartoffeln zubereiten könnte, sie zeigte mir den Hinterausgang des liebsten und großzügigsten Restaurants der Gegend und das alles mit der dauernden Argumentation für den Winter: Lagerfeuer macht nur in der Kälte Spaß; eine sehr große Freude ist es im Winter draußen zu übernachten, in einem Schlafsack am Besten und am nächsten Tag froh zu sein, dass man stark genug ist die Kälte überstanden zu haben; warmes Essen in einer verschneiten Nacht, in irgendeinem Treppenhaus – das alles sprach eindeutig für den Winter, ganz zu Schweigen davon, dass Menschen angeblich in der Vorweihnachtszeit sich auf ihre humanistische Ansätze und Werte besinnen und groszügiger schenken und verteilen.
Daraufhin musste ich daran denken, dass ich bei meinem ersten Göttinger Aufenthalt eine Dame kennenlernte, auf dem Weg ins Theater, die auf der Straße lebte, etwas wirr vor sich hin sprach, mehr oder weniger zum Straßen - und somit zum Stadtbild gehörte und einen ab und an um eine Zigarette oder um Feuer bat. Das war im Sommer. Sie hatte etwas sehr Interessantes an sich, oft ihr Hab und Gut in Tüten verpackt, dabei und ging oft den kleinen Straßenabschnitt auf und ab. Weit entfernte sie sich aber nicht von dem Ort. Und feste Zeiten hatte sie auch – um eine bestimmte Zeit kam sie dahin und um eine bestimmte Zeit ging sie fort. Wohin, das wusste ich nicht...
Das zweite Mal, als ich in Göttingen war, war die Dame verschwunden. Es war im Winter. Als ich nach ihr fragte, teilte man mir mit, dass sie am Heiligabend von einem betrunknen Bekannten sexuell belästigt und aufgrund der Verweigerung getötet worden war. Es versetzte mich in eine absolute Schockstarre. Ich hatte mich regelrecht an diese Dame gewöhnt und hatte es mir etliche Male vorgenommen, sie anzuquatschen und nach ihrem Namen zu fragen. Ich wollte wissen, welche Geschichten hinter ihr standen. Ich konnte es mir nicht vorstellen, wer auf den Gedanken kommen sollte, dieser Frau etwas anzutun.
Ich glaube es ist oft diese Sehnsucht nach Wärme, was ich so ungerecht an Winter finde. Die Vorstellung davon, dass nun bei dem harten Wetter - Menschen zusammen rücken, sich zurückziehen, nachdenklich und liebesbedürftig werden, großzügig, empathisch. Dass sie sich gegenseitig Wärme schenken und am Kaminfeuer händchenhaltend – tief in die Augen schauen... (Okay, ich übertreibe jetzt auch ein wenig, das ist mir schon klar.) Dass sie sich gegenseitig Mützen stricken und sich gemeinsam Hörbücher mit schaurigen Geschichten anhören, dass sie sich die Füße wärmen und sich fester an einander drücken. Sicherlich tun das manche, sicherlich tun wir das alle ein wenig – das mit den Mützen und mit dem Kamin sei einfach so dahingestellt – sicherlich, aber manchmal tun wir es eben nicht. Keine Mützen, kein Kamin, kein George Michael, vielleicht nicht Mal ein warmer Schlafsack. Das macht dann Menschen grob und verbittert, sie werden dann düster, grimmig, unfreundlich, werden genauso grau, wie der Himmel.
Ich weiß, ich kann es dem Winter nicht in die Schuhe schieben, dass er den betrunkenen Mann dazu animiert hat, dass er die Frau tötete, ich kann auch dem Winter nicht vorwerfen, dass Menschen manchmal einfach nur schrecklich und ätzend sind und sich einen Dreck um ihre Mitmenschen scheren, ich weiß, dass der Winter nicht dran Schuld ist, dass ich ihn nicht mag, ich kann ihm auch nicht vorwerfen, dass manche Menschen im Winter eben ihren Tee serviert bekommen und manche nicht - aber ich täte das manchmal so gern...
Aber vielleicht hat Gitta Recht und ich sollte es Mal versuchen – in einem der Hinterhöfe Lagerfeuer anzuzünden und Freunde zusammen zu trommeln. Aber bevor ich mich dazu entschließe, träume ich einfach von dem glücklichsten Bett der Welt, vom Meer und von der Sonne...